Die Steuerung der Genregulation in Bakterien mit Hilfe der Proteomik besser verstehen

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Bakterien müssen stets in der Lage sein sich wechselnden Umweltbedingungen optimal anzupassen. Essenziell für diese Anpassung ist hierbei das bakterielle Proteom, also die Gesamtheit aller Proteine einer Zelle. Je nach Bedingung können Bakterien die in ihrem Genom kodierten Proteine ablesen und in unterschiedlicher Menge herstellen. Das Grundprinzip der Regulierung von DNA (Genom), über RNA (Transkriptom) hin zum Protein (Proteom), das sogenannte zentrale Dogma der Molekularbiologie, ist seit langem bekannt. Allerdings ist das quantitative Zusammenspiel all dieser Vorgänge innerhalb der von der Natur vorgegebenen physischen Grenzen, wie z.B. die maximale Translationskapazität oder die maximale zelluläre Proteindichte, immer noch weitgehend unverstanden. Gemeinsam mit Professor Terry Hwa von der University of California San Diego hat Dr. Christina Ludwig, die Leiterin der Abteilung Proteomik am Bayerischen Zentrum für Biomolekulare Massenspektrometerie (BayBioMS) der TUM School of Life Sciences, das absolute Proteom von Escherichia coli unter verschiedensten Wachstumsbedingungen bestimmt und diese Daten mit dem absoluten Transkriptom und der ribosomalen Aktivität korreliert.

Forschung an den kleinsten Teilchen - Dr. Christina Ludwig vor den Massenspektrometern des Bayrischen Zentrums für Biomolekulare Massenspektromietrie (Bild: Fotostudio Göbel).

Dabei haben die ForscherInnen Unerwartetes herausgefunden: Die meisten bakteriellen mRNAs haben eine sehr ähnliche Translationseffizienz, während sich aber die Promotorstärken der Gene stark unterscheiden. Die ForscherInnen konnten eine enge Koordination zwischen der Stärke der Transkription und der ribosomalen Aktivität nachweisen und fanden heraus, dass in Bakterien die Proteinkonzentration primär durch die Transkription bestimmt wird.

Bakterielle Anpassung an veränderte Wachstumsbedingungen

In einem weiterführenden Projekt wurde speziell die Anpassung von Escherichia coli beim Übergang von einem Aminosäure-reichem zu einem Minimalmedium analysiert. In einem Aminosäure-reichem Medium kann Escherichia coli alle benötigten Aminosäuren direkt aus dem Medium aufnehmen und daher alle Energie in die Produktion solcher Proteine stecken, die für die Herstellung immer neuer und immer mehr Proteine zuständig sind. Dies sogenannten ribosomalen Proteine sind für maximal schnelles Wachstum essentiell. Beim Übergang zu einem Minimalmedium ohne Aminosäuren muss das Bakterium seine Ressourcen umstellen und neue Proteine generieren, welche es ihm erlauben die fehlenden Aminosäuren selber herzustellen (die Enzyme der Aminosäurebiosynthesewege). Da die Gesamtzahl an Proteinen in einer bakteriellen Zelle limitiert ist (maximale Proteindichte), muss das Bakterium eine optimale Balance zwischen ribosomaler Proteinbiosynthese und Aminosäurebiosynthese finden.

Mathematisches Modell kann bakterielles Wachstum simulieren

Die in diesem Projekt erfassten absoluten Proteomdaten erlaubten es dem Forscherteam ein kinetisches Modell zu erstellen, welches die Produktion der Enzyme der Aminosäurebiosynthewege beschreibt. Dieses mathematische Modell zeigte einen überraschend klaren Zusammenhang zwischen dem Beginn der Produktion dieser Enzyme und der jeweiligen „Enzymreserve" in Escherichia coli vor dem Mediumswechsel. Die Forscher konnten also mit Hilfe ihres Modells zeigen, wie Escherichia coli seine Genexpression bedarfsgerecht verändert, je nachdem in welcher Ausgangslage es sich befindet und an welche neue Lage es sich anpassen muss.

„Das in beiden beschriebenen Forschungsprojekten erworbene Wissen ist entscheidend, um die Steuerung der Genregulation in Bakterienzellen besser zu verstehen und bakterielles Wachstum mit Hilfe von mathematischen Modellen zu simulieren“, erklärt Dr. Ludwig die Bedeutung der Ergebnisse. Bakterielles Verhalten kann so zukünftig besser vorhergesagt werden.

Publikationen: 

 

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Christina Ludwig
Bayerisches Zentrum für Biomolekulare Massensprektrometrie (BayBioMS)
Leiterin des Zentrums für Proteomik
tina.ludwig@tum.de

 

Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
susanne.neumann@tum.de