Im Jahr 1966 kam Dr. Wolfgang Haber vom Westfälischen Museum für Naturgeschichte an die Technische Hochschule München, wie die TUM damals noch hieß. Auf dem Campus Weihenstephan wurde er Professor am neu gegründeten Lehrstuhl für Landschaftsökologie. Der bald sehr beliebte Studiengang hieß Landespflege; Prof. Wolfgang Haber integrierte natur- und sozialwissenschaftliche sowie kreative Disziplinen in die neue Studienordnung.
Beliebtes Studium mit Exkursionen zur Landschaftsökologie
Auch die inspirierenden Exkursionen mit Prof. Haber, in denen er sein Landschaftsverständnis vermittelte, waren bei den Studierenden gefragt. Einen persönlichen Eindruck davon erhalten Sie in den Hörbeiträgen einer besonderen Exkursion zu Prof. Habers 90. Geburtstag – mit verschiedenen Tonaufnahmen aus dem Gelände: Der landschaftsökologische Blick (September 2015).
Ab den 1970er Jahren konnten die Studierenden zwischen zwei Vertiefungsrichtungen wählen: Prof. Haber hatte aus der Garten- und Landschaftsarchitektur zusätzlich die angewandte Landschaftsökologie entwickelt. Das heißt, er erforschte die ökologischen Grundlagen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Weitere Schwerpunkte waren die Ökosystemforschung und die Ökologie der Landnutzung.
Wolfgang Habers Engagement in Politik und Öffentlichkeit
Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse brachte Prof. Wolfgang Haber auch in Politik und Öffentlichkeit ein: Er engagierte sich im Beirat für Naturschutz und Landschaftspflege beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Prof. Haber leitete den Rat der Sachverständigen für Umweltfragen der Bundesregierung und war langjähriger Sprecher des Deutschen Rates für Landespflege. Für sein Engagement für den Naturschutz, das weit über die Lehr- und Forschungstätigkeit hinausging, erhielt er 1993 den Deutschen Umweltpreis.
Naturschutz: Biotopkartierung und erste Nationalparks
Ein Meilenstein für den Naturschutz war die Biotopkartierung: Von 1973 bis 1978 kartierte der Lehrstuhl für Landschaftsökologie der TUM im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen schutzwürdige Biotope. Die „Biotopkartierung Bayern“ fand damals breite fachliche Anerkennung und diente auch anderen Bundesländern als Vorbild. Sie lieferte eine bayernweit vergleichbare Übersicht über die Lage, die Verbreitung und den Zustand der wertvollen und erhaltenswerten Biotope.
An der Gründung des Nationalparks Berchtesgaden und des Nationalparks Bayerischer Wald war Prof. Wolfgang Haber mit seiner Expertise ebenfalls wesentlich beteiligt. Heute unterhält die TUM eine eigene Forschungsstation in Berchtesgaden.
Landwirtschaft und Ökologie verbinden
Außerhalb von Nationalparks müssen Naturschutz und Landnutzung kein Gegensatz sein: Prof. Wolfgang Haber hat bereits vor über 50 Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass ein Natur- und Umweltschutz ohne oder gar gegen die Landwirtschaft für ihn nicht denkbar war. Der moderne Mensch ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft auch auf die Landwirtschaft angewiesen.
Trotzdem waren für ihn die gegensätzlichen Interessen zwischen Umwelt- und Naturschutz einerseits und Landwirtschaft andererseits offensichtlich. Er sprach sie auch ganz direkt an: „Konflikte zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz“ lautete der Titel eines Beitrags, den er 1977 im Bayerischen landwirtschaftlichen Jahrbuch veröffentlichte. Doch er wies auch darauf hin, dass sowohl die Landwirtschaft als auch die Ökologie an die Naturgesetze gebunden sind und ähnliche fachliche Grundlagen haben.
Von der Ökosystemforschung zu „One Health“
Prof. Wolfgang Haber war ein früher Wegbereiter des heutigen One-Health-Ansatzes an der TUM School of Life Sciences in Weihenstephan: Die interdisziplinäre Forschung betrachtet die Zusammenhänge zwischen Mensch, Tier, Pflanze, Mikroorganismen, Boden und Umwelt.
Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern Erkenntnisse, die dazu beitragen sollen, das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu erhalten und die Belastbarkeit gegenüber Umweltveränderungen zu verbessern – auch für zukünftige Generationen.
Festschrift zu Prof. Habers 100. Geburtstag mit Würdigung der Dekanin
Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter würdigen Wolfgang Habers Leben mit einer Festschrift, herausgegeben vom Freisinger Verein für Nachhaltigkeit e.V. Die Festschrift ist in der Reihe MUTation – Texte zur Nachhaltigkeit erschienen und dort als PDF kostenlos verfügbar (siehe Heft 11). Darin finden Sie auch den Beitrag von Prof. Ingrid Kögel-Knabner, Dekanin der TUM School of Life Sciences, mit dem Titel “Wolfgang Haber: Wegbereiter der Landschaftsökologie” (ab S. 50).
Die Dekanin schließt ihren sehr persönlichen Beitrag mit den Worten: „Mit Weitblick, Integrität und unermüdlichem Einsatz setzte sich Prof. Haber für den Schutz und die nachhaltige Entwicklung unserer Umwelt ein. Er war Vordenker, Mentor, Mahner und Brückenbauer zwischen Disziplinen. Sein Lebenswerk ist ein leuchtendes Beispiel für gelebte Interdisziplinarität und zeigt, wie Wissenschaft, Politik und Praxis miteinander verbunden werden können.“