Eine zufällige Beobachtung in einem Labor für Chemieingenieurwesen an der Universität Pennsylvania hat zu einer überraschenden Entdeckung geführt: eine neue Klasse von nanostrukturierten Materialien, die Wasser aus der Luft aufnehmen, in Poren sammeln und an Oberflächen abgeben können, ohne dass dafür externe Energie benötigt wird.
Die Studie eines interdisziplinären Teams wurde in Science Advances veröffentlicht. An der Forschung beteiligt waren Daeyeon Lee, Professor für Chemie- und Biomolekulartechnik (CBE), Baekmin Kim, Postdoktorand in Lees Labor und Erstautor der Studie, Amish Patel, ebenfalls Professor für CBE, sowie Stefan Guldin, Professor für Complex Soft Matter an der TUM School of Life Sciences.
Wassertröpfchen erscheinen auf dem Testmaterial
"Diese Arbeit zeigt, wie unerwartete Beobachtungen manchmal völlig neue Forschungsrichtungen eröffnen können“, so Stefan Guldin. „Die Fähigkeit dieser porösen Filme, Wasser aus der Luft zu gewinnen und gezielt freizusetzen – ganz ohne externe Energiezufuhr – ist nicht nur physikalisch faszinierend, sondern birgt auch enormes Anwendungspotenzial: von der Wasserversorgung in trockenen Regionen bis hin zur passiven Kühlung."
Daeyeon Lee erklärt: „Wir haben gar nicht versucht, Wasser zu sammeln. Wir arbeiteten an einem anderen Projekt, bei dem die Kombination von hydrophilen Nanoporen und hydrophoben Polymeren getestet wurde. Da bemerkte Bharath Venkatesh, ein ehemaliger Doktorand in unserem Labor, dass auf einem von uns getesteten Material Wassertropfen erschienen. Das ergab keinen Sinn. Daraufhin begannen wir, Fragen zu stellen.“
Diese Fragen führten zu einer vertiefenden Untersuchung eines neuartigen nanoporösen Materialtyps, das hydrophile und hydrophobe Komponenten in einer einzigartigen Struktur im Nanobereich vereint. Das Ergebnis ist ein Material, das sowohl Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt als auch diese Feuchtigkeit in Form von Tröpfchen nach außen abgibt.
So sammeln Nanoporen Wasser
Damit Wasser auf Oberflächen kondensiert, ist in der Regel entweder ein Temperaturabfall oder eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit erforderlich. Herkömmliche Methoden der Wassergewinnung beruhen auf diesen Grundsätzen und erfordern oft eine Energiezufuhr, um Oberflächen abzukühlen, oder die Bildung eines dichten Nebels, um Wasser passiv aus feuchten Umgebungen zu sammeln. Dieses neue System funktioniert jedoch anders.
Statt auf Kühlung setzt das Material auf Kapillarkondensation, einen Prozess, bei dem Wasserdampf selbst bei niedriger Luftfeuchtigkeit in winzigen Poren kondensiert. Das ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass das Wasser in ihrem System nicht einfach in den Poren eingeschlossen bleibt, wie es normalerweise bei dieser Art von Materialien der Fall ist.
„In typischen nanoporösen Materialien bleibt das Wasser, sobald es in die Poren eindringt, dort“, erklärt Amish Patel. "Aber in unserem Material bewegt sich das Wasser, kondensiert erst in den Poren und tritt dann als Tröpfchen an der Oberfläche aus. Das hat man in einem solchen System noch nie gesehen, und wir haben zunächst an unseren Beobachtungen gezweifelt."
Ein Material scheint der Physik zu widerstreben
Bevor sie verstanden, was vor sich ging, dachten die Forscher zunächst, dass das Wasser einfach aufgrund eines Artefakts ihres Versuchsaufbaus an der Oberfläche des Materials kondensierte, etwa wegen eines Temperaturgefälles im Labor. Um dies auszuschließen, erhöhten sie die Dicke des Materials, um zu sehen, ob sich die Menge des auf der Oberfläche gesammelten Wassers ändern würde.
„Wenn das, was wir beobachteten, allein auf die Oberflächenkondensation zurückzuführen wäre, würde die Dicke des Materials die Menge des vorhandenen Wassers nicht verändern“, erklärt Lee. Die Menge des aufgefangenen Wassers nahm jedoch mit der Dicke des Films zu, was beweist, dass die Wassertröpfchen, die sich auf der Oberfläche bilden, aus dem Inneren des Materials stammen.
Noch überraschender: Die Tröpfchen verdampften nicht schnell, wie es die Thermodynamik vorhersagen würde. „Gemäß der Krümmung und Größe der Tröpfchen hätten sie verdampfen müssen“, sagt Patel. "Aber das taten sie nicht; sie blieben über längere Zeiträume stabil.“ Lee und Patel schickten ihr Design an einen Projektmitarbeiter, um zu sehen, ob ihre Ergebnisse reproduzierbar waren.
„Wir untersuchen poröse Filme unter einer Vielzahl von Bedingungen und nutzen subtile Veränderungen der Lichtpolarisation, um komplexe Phänomene im Nanobereich zu untersuchen“, sagt Stefan Guldin. "Aber so etwas haben wir noch nie gesehen. Es ist absolut faszinierend und wird zweifellos neue und aufregende Forschungen anstoßen.“
Ein gefestigter Zyklus von Kondensation und Freisetzung
Es stellte sich heraus, dass sie ein Material mit genau dem richtigen Verhältnis von wasseranziehenden Nanopartikeln und wasserabweisendem Kunststoff – Polyethylen – geschaffen hatten, um einen Nanopartikel-Film mit dieser besonderen Eigenschaft zu erzeugen.
„Zufällig haben wir genau den richtigen Punkt getroffen“, sagt Lee. "Die Tröpfchen sind mit versteckten Reservoirs in den darunter liegenden Poren verbunden. Diese Reservoirs werden ständig durch den Wasserdampf in der Luft aufgefüllt, wodurch eine Rückkopplungsschleife entsteht, die durch dieses perfekte Gleichgewicht von hydrophilen und hydrophoben Materialien ermöglicht wird."
Eine Plattform für passive Wassergewinnung und mehr
Diese Materialien sind nicht nur physikalisch überraschend, sondern auch wegen der Einfachheit der Materialien vielversprechend: Aus gewöhnlichen Polymeren und Nanopartikeln hergestellte Filme könnten in passive Wassergewinnungsanlagen für trockene Regionen integriert werden. Weitere Anwendungen wären Oberflächen zur Kühlung von Elektronik oder intelligente Beschichtungen, die auf die Umgebungsfeuchtigkeit reagieren.
„Wir sind noch dabei, die zugrunde liegenden Mechanismen aufzudecken“, sagt Patel. "Aber das Potenzial ist aufregend. Wir lernen von der Biologie - wie Zellen und Proteine mit Wasser in komplexen Umgebungen umgehen - und wenden dies an, um bessere Materialien zu entwickeln."
In den nächsten Schritten wird untersucht, wie das Gleichgewicht zwischen hydrophilen und hydrophoben Komponenten optimiert werden kann, wie das Material für den praktischen Einsatz skaliert werden kann und wie man die gesammelten Tröpfchen effizient von Oberflächen abperlen lassen kann.
Stefan Guldin von der TUM School of Life Sciences sagt dazu: "Gemeinsam mit unseren Partnern an der University of Pennsylvania werden wir diese neuartigen Materialkonzepte weiter vertiefen. Unser Ziel ist es, systematisch zu untersuchen, wie sich Struktur, Zusammensetzung und Funktion im Nanobereich gezielt aufeinander abstimmen lassen – um makroskopische Effekte zu erzielen, die sich technologisch nutzen lassen.“
Weitere Informationen
Wissenschaftliche Publikation: Science Advances, 21 May 2025, Vol 11, Issue 21. DOI: 10.1126/sciadv.adu8349
Video: Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Nanoporen in Aktion zeigen, wie sich Wassertröpfchen bilden und durch das im Material gespeicherte Wasser wieder aufgefüllt werden. – Mp4-Video (20 Sekunden)
Diese Pressemitteilung wurde im Original von Melissa Pappas (Penn Engineering) verfasst und für die News der TUM School of Life Sciences angepasst.